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Gott & sein Lebens-Tutorial

Jetzt war schon einige Zeit vergangen und wir können wahrhaftig nicht behaupten, dass der Start auf der Erde langweilig war; es sah auch nicht danach aus, als wenn sich das in absehbarer Zeit ändern sollte.

Die ersten Schwierigkeiten waren überwunden und in der Schule versuchten sie in den einzelnen Schulfächern mir so allerlei komische Sachen zu erzählen. Erdkunde, Bio, Sport, Musik, Sozialkunde waren so meine Fächer, die mich am meisten interessierten und hoffen ließen. Wobei ich in Geschichte und Religion immer ’nen Kotzreiz bekam.


Es lag aber größtenteils an den verpeilten Themen, die durchgenommen wurden. In Geschichte laberten sie uns überwiegend von allen möglichen Kriegen voll, die die Menschheit so auf Erden verzapfte. Ich war total abgenervt von diesem dämlichen, unsinnigen Vorgehen der Erdbewohner, sich wegen Streitereien um irrsinnige Dinge, die meistens aus Habgier und Glaubensangelegenheiten entsprangen, einander umbringen zu müssen.

Am besten hatte man danach Religionsunterricht, um den Wahnsinn zu komplettieren. 

Dort versuchten sie uns zu erzählen, dass es irgendwo so einen Typ namens „Gott“ geben sollte und der Schöpfer alle Dinge gewesen sein soll und im Himmel lebt usw. Sein Sohn war so glaubwürdig, dass sie ihn ans Kreuz tackerten. Und so ein Moses hämmerte 10 Gebote in Steinplatten, an die sich die Menschen halten sollen und alles wäre paletti, also so eine Art „Lebenstutorial".

Auch so ein Pärchen namens Adam und Eva kam ins Spiel, die dieser Herrgott als erste Erdenbewohner erschaffen haben soll - da ging der Stress schon los, mit dem Apfel, der Schlange und dem Paradies.

Danach im Biologie-Fach erzählten sie uns u.a., was von einem riesigen Knall, diesem Urknall, woraus alles hervorgegangen sein soll. 


Ich war von den ganzen widersprüchlichen Aussagen total überfordert, ja eher total angepisst und extrem genervt.

Das lag auch an dem Umstand, dass jedes gesprochene Wort super tief in meine Gehörgänge eindrang und im Gehirn das totale Chaos verursachte. Ich saugte alles genauestens auf wie ein Staubsauger und machte mir um alles genauestens Gedanken und auch Vorstellungen.

Und so kam ich schnell zu der Erkenntnis: Du bist in einem Irrenhaus gelandet und hier stimmt was nicht, da ist ja mal was gehörig schiefgelaufen. Alles Lüge oder was - das kann es nicht sein.

Konfrontierte ich außerhalb der Schule einen sog. Erwachsenen oder auch Fritz und Emma, hieß immer gleich: „Junge, mach dir nicht so viel Gedanken. Dafür bist du noch zu klein und jung, später wirst du alles verstehen, so ist das Leben” etc.

Mit „So ist das Leben“ wollte ich mich nicht einfach so abspeisen lassen und es kam mir wie eine große Ausrede einzelner vor, um sich nicht mit ihrem verkorksten Dasein und Fehlverhalten beschäftigen zu müssen oder Dinge ändern zu wollen. 


Umso mehr ich von diesem komischen Wahnsinn hörte, entwickelte sich ein Riesenverlangen und Begierde in mir, alles zu erforschen, zu erleben, zu riechen, zu fühlen, kennenzulernen.



Der Funke an der elektrischen Klingen 


In der Übergangszeit war jemand der Meinung, uns mal wieder eine kleine Horrorshow präsentieren zu müssen. 

Wir waren mit einer kleinen Gruppe von Leuten gegenüber vom Jugendclub im Billardsalon am Spielen, als es plötzlich draußen wieder knallte. Ich konnte diesen tiefen Ton sofort wieder als so eine Art Sprengsatz zuordnen, wie ich ihn nicht lange zuvor bei der Hausexplosion gehört hatte. 

Dieses Mal mussten wir aber verdammt dicht am Geschehen gewesen sein, da sämtliche Schaufensterscheiben des Billardladens zerbarsten und sich die Kugeln auf dem Tisch wie von selbst bewegten und die Wände wackelten. Einige Mädchen schrien wie am Spieß und der Rest von uns war kreidebleich und das Herz rutschte uns in die Hosen. 

Alle rannten nach dem ersten Schock sofort ins Freie auf die Straße, wo man schon weitere schreiende Personen in einer Staubwolke hören konnte, die alles verhüllte. 

Alles lief genauso ab, wie ich es schon bei der letzten Explosion erlebt hatte, halt diesmal nur näher dran am Geschehen. Die Staubwolke lichtete sich und alle rannten wieder in einen der Häuserhinterhöfe.

Ich erkannte den Eingang sofort; dort lebte Beate aus der Grundschule, mit der ich gut befreundet war und die ich öfters dort besuchte. Mir schossen die gruseligsten Vorstellungen durch den Kopf, da ich ja erst vor kurzem so ein Szenario durchgemacht hatte. Ich fing an, am ganzen Leib zu zittern und rannte los.

Im Hinterhof angekommen, fand ich dann Beate mit ihren Eltern schluchzend an einer Mauer hocken. Es waren schon einige Menschen da und kümmerten sich um sie. Zum Glück lebten sie. 

Meine ganze Clique rannte zu ihr und wir fielen uns alle weinend in die Arme.  

Das restliche Bild ergab sich wie gehabt. Wieder ein Häuserquerflügel, der von einer Explosion zerrissen wurde, direkt neben dem kleinen Flachbau, in dem Beate und Familie lebten. Der Druck der Explosion ließ in den angrenzenden Hinterhof-Häusern nicht eine Fensterscheibe in ihren Rahmen und überall lagen große Gesteinsbrocken. Als sich nach ein paar Minuten alle Gemüter beruhigten, überzog eine beängstigende Stille die Szenerie. Viele versuchten jetzt Geräusche von eventuell noch lebenden verschütteten Hausbewohnern zu orten. 

Und wieder füllten THW und Rettungswagen die Straßen, um zu retten, was noch zu retten ist und um sich um die Traumatisierten zu kümmern.

Später stellte sich heraus, dass auch hier wieder ein Selbstmörder sein Werk verrichtet hatte und durch Manipulation der Gasleitung die Explosion verursachte.

Alleine die Vorstellung: Du besuchst jemanden, klingelst an der Tür, ein kleiner Funke der elektrischen Klingen bringt das aufgestaute Gas in der Wohnung zu einer Explosion. Du fliegst mit dem ganzen Haus in die Luft, wirst von den Trümmerteilen in zig Teile zerfetzt, war die reinste Horrorshow.


Wie immer bei solchen Ereignissen fühlte ich mich sofort wie in einem zähen Traum, Film oder dergleichen. Ich stand einfach neben mir und es war so, als wenn mein umnebelter Geist die ganze Zeit mit mir redet. Ich war ja gerade erst 14 und habe bis dahin bereits mehrere solcher seltsamen Vorfälle erleben dürfen. Gefahren und der Tod waren nie weit entfernt und ich entwickelte eine gewisse Sensibilität und Gespür, was ich noch nicht so richtig zuordnen konnte. 

Alles erinnerte mich immer wieder an das Leid der Menschen aus den Kriegserzählungen der Alten; für Trauer und Wut blieb ihnen meist nicht viel Zeit. 

So richtig verstanden hatte ich das alles eigentlich nie so richtig und wollte ich auch nicht, obwohl viele zu jedem noch so irren Vorgang eine für sich passende Erklärung parat hatten. Schnell merkte ich, den Irrsinn der Menschen verstehen zu wollen, wird mich nie weiterbringen und mich nur bei meiner weiteren Suche nach Glückseligkeit aufhalten.


In den nächsten Wochen nutzte ich jede Gelegenheit zur geselligen Zusammenkunft in Kneipen und Privatfeiern, die ich nur finden konnte und machte meine erste Bekanntschaft mit der Friedenspfeife. 



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